Auch in Lettland wünschen sich die Kundinnen und Kunden stabile Lebensmittelpreise. Schaut man beim offiziellen lettischen Statistikportal nach, dann wird dort für die vergangenen 12 Monate ein Preisanstieg von 4,1% ausgewiesen. Verglichen mit 2021, liegt der Preisanstieg aber bei "sagenhaften" 34,3%! (stat.gov.lv). Und nehmen wir nur Lebensmittel und alkoholfreie Getränke heraus, liegt der Anstieg hier sogar bei 51,3%. (stat.gov.lv). Seit 2021 hat sich diese Entwicklung erheblich beschleunigt. (siehe auch: "Food price monitoring tool")
Mittel zum Leben
Statistisch gesehen lag 2024 das mittlere Monatseinkommen in Lettland bei 1223 Euro - allerdings liegen in Lettland die Geringverdiener und die Gutverdiener sehr weit auseinander, das muss ein realistischer Blick auf die Situation berücksichtigen. "Gering Beschäftigte" werden in der Regel so definiert, dass sie weniger als zwei Drittel des mittleren Brutto-Stundenlohns verdienen: in Lettland sind das 23% (nur in Bulgarien und Rumänien liegt in der EU dieser Anteil noch höher) (IR)
Einer Statistik aus dem Jahr 2019 zufolge geben Lettinnen und Letten durchschnittlich 23,4% des verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus (bei alleinstehenden Frauen mit Kind sind es 27,7% - sogar mehr als die 22,6% für Miete und Wohnung). (stat.gov.lv)
Reisvergleich
Obwohl Lettland also die dritthöchste Zahl an Niedriglohnempfängern in der Europäischen Union hat, scheuen sich die Ladenbesitzer nicht, für billige Markenlebensmittel mehr zu verlangen als in den Nachbarländern - so schreibt es Journalistin Ilze Šķietniece in einem Beitrag für die Zeitschrift "IR".
Und besonders dort, wo die großen Supermarktketten Läden in allen drei baltischen Staaten, also in Estland, in Lettland und auch in Litauen unterhalten, da lassen sich natürlich Preise vergleichen. Beispiel RIMI: im Moment des Testkaufs kosteten 800 Gramm Langkornreis in Lettland 1,19 Euro - aber in Litauen nur 99 Cent und in Estland sogar nur 39 Cent! (Rimi Estland / Rimi Litauen) Bei "Rimi" in Lettland sind auch Buchweizen, Nudeln, Haferflocken, Milch, Butter und andere Produkte aus dem Niedrigpreissegment die teuersten in den baltischen Staaten.Im Mai hatten Verarbeiter und Händler im lettischen Wirtschaftsministerium ein Memorandum über den Handel mit Lebensmitteln unterzeichnet. Dort war ein Warenkorb mit Grundnahrungsmitteln und 10 Warengruppen festgelegt worden - in jeder dieser Gruppen sollten Handelsfirmen sich verpflichten, mindestens ein preisgünstiges Produkt anzubieten. Die Theorie: wenn abwechselnd immer andere Produkte günstig angeboten werden, sei die Grundversorgung auch für ärmere Leute gesichert. Soweit die Theorie.
Unvergleichlich?
Ökonomen wenden nun ein, die Märkte in den drei Ländern seien eben unterschiedlich, und selbst wenn zum Beispiel alle drei Ladenketten zu "Rimi" gehören, seien es eben drei unterschiedliche Unternehmen, die jeweils für sich kalkulieren. So seien zum Beispiel die Getreideprodukte der Eigenmarke von Rimi in Estland im mittleren Preissegment um 23 % teurer als in Lettland. Und so kostet etwa eine 125g-Packung Basmati-Reis in Lettland 1,35 Euro, in Estland und Litauen aber 60 Cent mehr ("IR"). In der Auflistung von Journalistin Šķietniece findet sich auch die 400g-Packung Buchweizen in Estland für 0,97 Euro, in Litauen 1,48 € und Lettland 1,75 €. Nimmt man aber das gesamte Sortiment und summiert den Durchschnitt alle Produkte, unterscheiden sich die drei Länder nur minimal, schreibt sie.
Der Marktanteil der drei größten Supermarktketten in Lettland teilt sich wiefolgt auf: Rimi (28%), Maxima (28%) und Lidl (12%) (OECD, 2024 / IR).
Durchschnittlich
Nun gibt es immer wieder Lettinnen und Letten, die in den sozialen Netzwerken Fotos von aus lettischer Sicht "unglaublich billigen" Produkten in Schweden, Irland oder Deutschland posten. Auch hier versuchen Ökonomen wieder mit "Durchschnittlichem" zu beruhigen: den Statistiken von "Eurostat", dem Statistische Amt der Europäischen Union zufolge, liegen Lettland und Estland nur wenig über dem europaweiten Durchschnitt des Preisniveaus, Litauen knapp darunter - am teuersten sind Lebensmittel in Norwegen, Dänemark, Island, Luxemburg und der Schweiz, während es in Polen, Tschechien, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei sehr günstig ausfällt. Vergleicht man einzelne Warengruppen unter den Lebensmitteln, liegt Estland bei Fisch sehr günstig, Lettland und Litauen aber bei Fleisch.
Allerdings: auch das "Bundesinformationszentrum Landwirtschaft" weiß: Deutsche geben vergleichsweise wenig für Lebensmittel aus: nur 11,1% ihres verfügbaren Einkommens.
Einer Umfrage von "IPF Digital" zufolge bestätigen 40% aller Estinnen und Esten sich wegen der steigenden Preise einschränken zu müssen - in Lettland sagten das 35%, in Litauen 32%. Nur 5% aller Befragten in Lettland meinten, das sie die steigenden Preise überhaupt nicht beeinträchtigen (Estland 3%, Litauen 8%). ("IR")
Buchweizen, Nudeln und Co.
"In Lettland greifen die Käufer besonders bei Getreide und Nudeln zu den preisgünstigsten Produkten", meint Ökonom Oļegs Krasnopjorovs, "wenn man das Kilogramm Nudeln für 1 Euro kaufen kann, dann greift selten jemand zu den Produktalternativen für bis zu 8 Euro". Aber hat das zur Folge, dass dann absichtlich die Sonderangebote eher bei anderen Produkte angeboten werden? Gehört das zum lettischen "Marketing-Alltag"? "In Lettland herrscht unzureichender Wettbewerb, und die beiden größten Einzelhandelsketten halten die Preise für die günstigsten Endprodukte hoch", folgert Krasnopjorovs. (IR) Dem lettischen Wirtschaftsministerium zufolge wird an einem Internet-Tool gearbeitet, das Preisvergleiche online vereinfachen soll.
Dem bereits erwähnten Memorandum zufolge müsste dann jeder lettische Supermarkt mindestens ein sehr günstiges Produkt aus diesen Bereichen anbieten: Brot, Milchprodukte, Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch, Mehl und Getreideprodukte, Eier, Pflanzenöl. Da diese Angebote ständig wechseln sollen, wäre ein mögliches Ergebnis: wer verschiedene Läden in Reichweite zur Auswahl hat, kann öfter mal reinschauen. Resultat vielleicht: mehr laufen, weniger kaufen.